Drosophila Karaoke Bar

2018

Installation auf dem Ars electronica Campus 2019 als Teil von Shared Habitats
Documentation der Ausstellung im MoMuseum Vilnius 2019
A perfektes Feedback als ER auf einer Bach B50 Bassposaune spielt

Project Description in German

Mit Drosophila Karaoke Bar möchten wir auf einen Modellorganismus in Medizin und Forchscung schauen: die Fruchtfliege Drosophila.  Während wir im Alltag die Fliegen meiden, ist sie in der Wissenschaft ein prominentes Objekt von Experimenten. Drosophila sind billig, sie reproduzieren sich schnell, haben genug genetische Ähnlichkeit zu uns Menschen um als Organismus herzuhalten, der für die Erfoschung genetischer Krankheiten dient. Insbesondere sind ihre Gehirne so klein, dass wir sie gut verstehen können.

Look into the sound isolation box

Kann unsere Karaoke-Bar Elemente aus unserer Hightech-Kultur in unser Lebensumfeld zurückbringen? Erlaubt sie dem Publikum, in die Wissenschaft hineinzutauchen? Unser Versuch, Menschen einzuladen, mit Fliegen zu singen, bietet eine Performance, um einen ganzheitlichen Ansatz für wissenschaftliche Untersuchungen zu erleben. Der Aufbau erörtert ökologische Fragen: Wie weit müssen wir die Lebensbereiche von Mensch und Fliege trennen, damit sich beide wohlfühlen? Welche Maßnahmen sind nötig, um ihre leisen Gesänge für den Menschen hörbar zu machen? Wie wirkt sich eine Laborumgebung auf das Verhalten der Fliegen aus? Unter welchen Bedingungen können wir ihre Anwesenheit genießen?

Die Installation lädt die Besucher ein, über eine technische Schnittstelle in einen direkten Austausch mit den Fruchtfliegen zu treten. A software is transforming human speech into signal that can be perceived by flies. It allows auditory feedback between people and animals. Für die Verschmelzung von Menschen- und Fliegengesang wird ein spezieller Signalverarbeitungs-Vocoder verwendet, der von Berd Edler vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen zur Verfügung gestellt wird.
Die Besucher sind aufgefordert, mit Fliegen zu sprechen und zu singen. Birgit Brüggemeier, Neuroscientist und Fliegenforscherin, erklärt in einem Video die Bedeutung der einzelnen Bestandteile des Fliegengesangs. Sie informiert die Zuhörer über die Syntax und Semantik von Drosophila-Gesängen, um den Besuchern ein besseres Verständnis der Fliegenkommunikation zu vermitteln. Das Video ermutigt die Besucher, mit Fliegen zu singen und zu sprechen.

Das Innenleben der Box mit Isolation, Mikrofonen, Lautsprecher
Fly karaoke explained by Birgit Brüggemeier

 

Inside the box and under the sand pile
Karaoke Bar @ MOMuseum Vilnius

Eine Klangvisualisierung in 2D erweitert die auditive Wahrnehmung der Fliegensphäre um eine visuelle Überwachung der Fliegengesänge auf einem Bildschirm: die Position, die Amplitude und das Muster der Klangquellen sollen dem Künstler helfen, ihren Einfluss auf das Verhalten der Fliegen zu erkennen. Ein großer Sandhaufen bedeckt mit seinem Gewicht den Lebensraum der Fliegen, um ihr Summen gegen den Lärm der menschlichen Aktivitäten zu isolieren. Der massive Sandhaufen repräsentiert die sinnliche und semantische Kluft zwischen einer Fliege und einem Menschen.

In einer weiteren, vorgerenderten Version – Fly Songs – bietet ein weiterer Kopfhörer einen „anthropozentrischen“ Blickwinkel auf Fliegen: wir verfolgen die auftretenden Frequenzen unserer Fliegengemeinschaft, die in Balzgesängen und Fluggeräuschen bestehen (die sich um eine ungefähre Oktave von den Gesängen unterscheiden). Eine speziell entwickelte Software unterstützt die Echtzeitklänge, indem sie sie mit zuvor in den Fliegengeräuschen vorgefundenen Tönen zu Akkorden moduliert. Diese Software wirft die Frage auf: Gibt es in den Gesängen der Fliegen mehr verborgene Kommunikationsmuster, als von der Wissenschaft bisher beschrieben?

Fly song – a rendering of a generative software

In der Karaoke Bar lernen wir, leise und achtsam zu werden, um die Töne von Fruchtfliegen hören zu können. Unser Setting bietet die Möglichkeit, mit Drosophila auf Augenhöhe (Ohrhöhe?) zu kommunizieren. Indem wir uns auf Drosophilas eigene Ausdrucksweise konzentrieren (welche Signale senden sie an ihre Umgebung? Wie kommunizieren sie? Wie klingt es, wenn sie sich ihren Artgenossen nähern? Was wollen sie verhandeln? Was sind unsere gemeinsamen Wahrnehmungsfenster?), wollen wir ein anthropozentrisches Weltbild umgehen. Die Installation übersetzt nicht nur die Signale der Drosophila (durch Beschallung und Visualisierung, wie es früher gemacht wurde), sondern ermöglicht eine gemeinsame Praxis in einer direkten Feedback-Situation, die eine neue sinnliche Erfahrung bietet.

Ursula Damm (Künstlerin)

Birgit Brüggemeier (Neurowissenschaftlerin)

Felix Bonowski (Programmierung, Interface)